Der digitale Euro – was ist das und was bedeutet er für die Zukunft?

Euro Symbol Fr0ankfurt - Tabrez Syed Euro Sign, Frankfurt - CC BY 2.0

Auf der Zielgeraden: Der digitale Euro

Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, will nun „einen Gang höher schalten“, so die FAZ am 14.7.2021. Nach monatelangen Analysen und Experimenten, Beiträgen von Experten und Bürgern befindet sich das Projekt nun auf der Zielgeraden. Allerdings gibt es unter den Notenbankern in Europa mehr als zwei Meinungen.

Damit reagiert die Notenbank auf China und andere Staaten, die beim Thema Digitalwährung schon weiter fortgeschritten sind. Außerdem will die EZB den privaten Digitalwährungen – wie Bitcoin oder Facebooks Diem – nicht nachstehen im Kampf um Anteile am Transaktionsgeschehen.

Was ist der digitale Euro?

Der Bürger erhält nach dem aktuellen Konzept digitale Brieftaschen, auch „Wallets“ genannt, oder Apps, um digitale Zahleinheiten zu speichern. Zwar liegt noch keine endgültige Entscheidung über die Modalitäten vor, aber Insider lassen immer mehr Einzelheiten nach außen durchdringen. So soll es nicht zu einer energieintensiven Blockchain kommen wie beim Bitcoin und anderen Privatwährungen. Als technische Grundlage bevorzugen die beteilgten Politiker vielmehr das bereits vorhandene Überweisungssystem Target Instant Settlement (TIPS), das Transaktionen in Echtzeit ausführt.

Wer nun aber meint, das Ganze sei für ihn bereits Realität mittels Homebanking oder Paypal, der irrt. Denn der Verbraucher bekommt „digitales Zentralbankgeld“ direkt von der EZB. Im Fall einer Pleite der Hausbank wäre der digitale Euro somit nicht betroffen, denn er ist aus rechtlicher Sicht dem Bargeld vergleichbar.

Was bedeutet er als Transaktionsstandard?

Die Buchungen sollen mit dem E-Euro nicht nur schneller verlaufen, sondern auch kostengünstiger. Im Vergleich zum heutigen Überweisungssystem ergibt sich ein Kostenvorteil von etwa 90 Prozent. Denn beim Warenaustausch fällt aktuell eine Vielzahl von Formalitäten an, vom Lieferschein über Quittungen und Zollbelegen bis zur Schlussrechnung. Das alles wäre vermeidbar, wenn die im Hintergrund laufenden IT-Systeme das digitale Zahlungsmittel akzeptieren würden. Der Fachjargon spricht von den „Smart Contracts“, die den Warenverkehr erheblich vereinfachen.

Die Kryptowährungen fallen immer wieder durch ihre erheblichen Kursausschläge auf. Das macht sie für Privatanleger attraktiv, die sich kurzfristige Gewinne versprechen. Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem oder gar die Weltwirtschaft haben diese Bewegungen jedoch zur Zeit nicht. Allerdings akzeptieren einige Unternehmen bereits den Bitcoin als Zahlungsmittel. Erwächst aus diesen Anfängen ein Trend, dringt das Zahlungsmittel immer weiter in den Wirtschaftskreislauf ein.

Im Falle einer Finanzkrise wie der von 2008 wäre es verheerend, wenn die beobachteten Extreme den Markt zusätzlich unter Druck bringen würden. Nicht nur die EZB, auch andere Notenbanken wollen gegen solche Entwicklungen vorbeugend eingreifen. Deshalb ist der digitale Euro auch ein Mittel, die Rahmenbedingungen nachhaltig festzulegen und die Attraktivität der ungeregelten Währungen zu mindern. Diese könnten sich außerdem einer Regulierung nicht weiter entziehen, was ihnen bisher erfolgreich gelungen ist. Die Zentralbanken haben bisher auf den Markt mit Kryptowährungen kaum einen Einfluss.

Außerdem verlaufen die Zahlungsströme unter Aufsicht der Notenbanken rechtskonform. Denn die Behörden haben keinerlei Interesse an einer Vermarktung von Nutzerdaten oder anderer Informationen. Der E-Euro wäre zudem deutlich umweltfreundlicher als die Kryptowährungen, weil er nicht verschlüsselt werden muss, was einen erheblichen Energiebedarf bedeutet.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Kryptowährungen

Das bereits seit 2018 existierende Bezahlsystem TIPS erlaubt es dem Zahlungsdienstleister, für seinen Kunden Geldtransfers in Realtime durchzuführen. Kommt es wie beabsichtigt auch für Überweisungen von Zentralbankgeld zum Einsatz, wäre dies aber ein zentralisiertes System. Dies gilt nicht für die bekannten Kryptowährungen, die alle dezentral organisiert sind.

Die Transfers werden nämlich bei Kryptowährungen nacheinander abgespeichert in einer Block-Kette oder Blockchain. Diese Art der Datenorganisation kennen Experten auch als eine „verteilte Datenbank“, die sich nicht nur auf einem einzelnen Server befindet. Alle Teilnehmer des Systems besitzen eine komplette Kopie der gesamten Datenbank auf ihrer Hardware, und jeder neu hinzugefügte Datenblock geht auch auf alle beteiligten Rechner. Eine nachträgliche Änderung ist also nicht mehr möglich, die Blockchain ist somit fälschungssicher.

Der Bitcoin und seine Kollegen sind extrem schwankungsanfällig. Die Kurse steigen bald rasant in die Höhe, um schon im nächsten Moment den Rückwärtsgang einzulegen. Der digitale Euro hingegen wäre an den Euro gekoppelt, was plötzliche, extreme Ausschläge verhindert. Damit die Währung im täglichen Handel funktionieren kann, ist dies auch bitter nötig. Die Kryptowährungen sind für den Geschäftsverkehr kaum geeignet, weil ein Unternehmen sein Eigenkapital mit diesen Zahlungsinstrumenten nicht zuverlässig einschätzen kann. Außerdem sind Planungen mit einem hohen Unsicherheitsfaktor verbunden aufgrund der fragilen Kapitalentwicklung.

Auswirkungen für die Banken-Landschaft und die Kunden

Mit dem E-Euro wird der Bezahlvorgang im internationalen Warenverkehr sowie im Internet schneller und einfacher. Heute braucht eine Überweisung nach China oft deutlich länger als der reale Transport der Ware. Nach einer Untersuchung der EZB wünschen sich außerdem etwa die Hälfte der Befragten mehr Anonymität bei ihren Transaktionen. Auch der Schutz ihrer Privatsphäre ist ein Vorteil der digitalen Währungseinheit.

Vorteile ergeben sich auch bei Kleinstüberweisungen, den sogenannten Micro Payments. Im Zusammenhang mit dem „Internet der Dinge“ (IoT) kommt es häufig zu automatisierten Transaktionen, wenn Maschinen über das Internet selbständig Zahlungen vornehmen und Forderungen stellen, Umsätze oder Kosten verbuchen. Deshalb ist besonders die Industrie an der Digitalwährung interessiert, denn mit künftigen Innovationen im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 besteht hier ein großer Bedarf an automatisierbaren Zahlungsvorgängen. Aber auch Privathaushalte sind von den anstehenden Neuerungen betroffen. Denn bemerkt der Kühlschrank in Zukunft, dass die Grundnahrungsmittel knapp werden, ordert er selbständig das Nötige im Supermarkt – und braucht dazu den Euro in digitaler Form.

Physisches Bargeld wird mit der Digitalwährung in die Welt des Digitalen überführt, und zwar ohne Beteiligung der Banken oder Karten-Emittenten. Ein wesentlicher Teil des Geschäfts gerade der letztgenannten Institute besteht aber in den Einnahmen aus Transaktionen und Zinsen. Allerdings will die EZB den Inhalt einer „Wallet“ auf maximal 3 000 Euro begrenzen, schon um Geldwäsche zu erschweren. Somit dürfte sich der Schaden in Grenzen halten.

Zwiespältiger Ausblick

Zunächst beginnt nun eine Untersuchungsphase, die zwei Jahre dauern soll, anschließend folgt eine dreijährige Testphase. Während dieser Zeit werden die europäischen Institutionen eng zusammenarbeiten, um Anpassungen vorzunehmen und den Erfolg des Projekts zu gewährleisten. Kritiker bemängeln allerdings, die Infrastruktur der EZB werde erst 2026 oder noch später einsetzbar sein.

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