
In Zeiten wachsender sozialer Notlagen und zunehmender Digitalisierung gewinnen Spendenportale wie GoFundMe oder Betterplace stark an Bedeutung.
Was früher über klassische Spendenaufrufe in Zeitungen oder Benefizveranstaltungen lief, geschieht heute per Mausklick – schnell, emotional aufgeladen und oft mit beeindruckendem Erfolg. Doch wie funktionieren diese Portale eigentlich? Wie verdienen sie ihr Geld – und wie steht es um Transparenz, Gebühren und Missbrauchsrisiken?
Funktionsweise und Plattformtypen
Crowdfunding für Privatpersonen: GoFundMe
GoFundMe ist das weltweit größte Portal für privates Spenden-Crowdfunding. Das US-amerikanische Unternehmen ist seit 2020 auch in Deutschland aktiv und hat 2024 laut Medienberichten über 110 Millionen Euro an Spenden gesammelt – mehr als doppelt so viel wie im Jahr davor. Hier kann jede Privatperson eine Kampagne starten: etwa für eine medizinische Behandlung, eine barrierefreie Wohnung oder die Beerdigung eines Angehörigen.
Ein Beispiel: Die Kampagne „Leben für Jonas“ aus Bayern sammelte binnen weniger Wochen über 130.000 € für die lebensrettende Therapie eines kleinen Jungen – durch emotionale Geschichten, Social-Media-Verbreitung und eine hohe Spendenbereitschaft im Umfeld. GoFundMe erleichtert die Einrichtung solcher Kampagnen technisch und kommunikativ – allerdings nicht ganz kostenlos.
Spendenplattform für Organisationen: Betterplace
Betterplace unterscheidet sich konzeptionell: Das 2007 in Berlin gegründete Portal fungiert als Vermittler zwischen Spendern und gemeinnützigen Organisationen. Hier können keine Privatpersonen, sondern nur anerkannte gemeinnützige Einrichtungen Spendenkampagnen erstellen. Der Vorteil: Die Plattform stellt automatisch Spendenbescheinigungen aus, und Projekte sind vorab geprüft.
Für private Anliegen gab es bis 2023 die Schwesterplattform betterplace.me – mittlerweile unter dem Namen „GoodCrowd“ weitergeführt. Die Ausgliederung soll für mehr Trennung zwischen persönlichem Spendenbedarf und gemeinnütziger Arbeit sorgen.
Vergleich der Plattformen
Merkmal | GoFundMe | Betterplace |
---|---|---|
Zielgruppe | Privatpersonen | Gemeinnützige Organisationen |
Gebühren | 2,9 % + 0,25 €/Spende | 2,8 % |
Spendenbescheinigung | Nein | Ja |
Auszahlung | Direkt an Initiator:in | An Organisation (nach Prüfung) |
Herkunft | USA (kommerziell) | Deutschland (gemeinnützig) |
Finanzierung | Gebühren + „freiwilliger Zuschlag“ | Gebühren + Services für Firmen |
Gebühren und Einnahmequellen
GoFundMe: Wenn Hilfe auch Geld bringt
GoFundMe verzichtet auf eine feste Plattformgebühr, verdient aber über die sogenannte „Transaktionsgebühr“: 2,9 % der Spendensumme plus 25 Cent pro Spende. Zusätzlich wird Spender\:innen beim Bezahlvorgang eine „freiwillige Zusatzspende“ vorgeschlagen – oft voreingestellt. Diese fließt direkt an GoFundMe.
Beispielrechnung: Eine Kampagne mit 29.263 € Spenden und 933 Einzelspenden generiert rund 1.082 € an Gebühren, wie eine Recherche der *Landeszeitung Lüneburg* zeigt. Nur etwa 28.181 € kommen tatsächlich beim Empfänger an. Kritiker werfen dem Portal daher eine gewisse Intransparenz bei den realen Kosten vor.
Betterplace: Gemeinnützig, aber nicht kostenlos
Auch Betterplace erhebt Gebühren: aktuell 2,8 % der Spendensumme. Diese decken Serverkosten, Mitarbeiter\:innen, Sicherheitsinfrastruktur und die Prüfung der Organisationen ab. Zusätzlich können Unternehmen über Betterplace Services wie Fundraising-Tools oder CSR-Kampagnen buchen – ein zweites finanzielles Standbein.
Laut Angaben von Betterplace fließt die gesamte Gebühr in die Weiterentwicklung der Plattform – ein Unterschied zu GoFundMe, das profitorientiert arbeitet.
Vorteile und Kritik
Vorteile: Nähe, Tempo und Emotionalität
Spendenportale punkten vor allem mit ihrer Unmittelbarkeit. Innerhalb von Minuten lassen sich Kampagnen starten, per WhatsApp oder Instagram verbreiten und mit Bildern oder Videos emotional aufladen. Gerade bei persönlichen Schicksalen entsteht so eine große Dynamik.
„Ohne GoFundMe hätte ich die Behandlung nicht finanzieren können“, sagte eine Betroffene aus Köln, die für ihre Krebsmedikamente innerhalb einer Woche 20.000 € sammelte. Die Spender\:innen kamen nicht nur aus ihrem Bekanntenkreis, sondern auch aus völlig fremden Online-Communities.
Kritik: Gebühren, Intransparenz und Ethik
Kritisch sehen Expert\:innen vor allem die Gebührenpolitik von GoFundMe. Die optionalen Zusatzspenden sind oft voreingestellt – wer nicht genau hinsieht, zahlt mehr, als beabsichtigt. Auch fehlt häufig ein Hinweis darauf, wie viel beim Empfänger wirklich ankommt.
Zudem stellt sich die ethische Frage: Warum müssen Menschen in existenziellen Notlagen überhaupt öffentlich um Hilfe bitten? Die Politikwissenschaftlerin Dr. Anna-Lena Müller nennt das Phänomen „Digitalisierung sozialer Ungleichheit“: Wer eine gute Geschichte erzählen kann, wird unterstützt – wer leise leidet, fällt durch.
Missbrauchsrisiken
Immer wieder tauchen auch Fälle von Betrug auf. Falsche Geschichten, manipulierte Bilder oder zweifelhafte Nutzungszwecke führen zu Misstrauen. Plattformen wie GoFundMe betonen ihre Kontrollmechanismen – doch die schiere Masse der Kampagnen macht eine lückenlose Prüfung unmöglich.
Betterplace versucht dem mit einer Vorauswahl gemeinnütziger Träger zu begegnen. Dennoch bleiben Graubereiche, etwa wenn Spenden zweckentfremdet werden oder dubiose NGOs zugelassen werden.
Best Practices für erfolgreiche Kampagnen
Emotion und Moral
Laut einer Studie der Universität Kassel (2025) steigen die Spendenbeträge signifikant, wenn Kampagnen moralische Werte wie „Fürsorge“, „Fairness“ oder „Loyalität“ adressieren. Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Einzelspende, wenn Kampagnen übermäßig dramatisiert wirken – ein Hinweis auf „Mitleidsmüdigkeit“ bei den Spender\:innen.
Transparenz und Kommunikation
Regelmäßige Updates über den Fortschritt des Projekts, eine klare Verwendung der Gelder und Danksagungen fördern Vertrauen. Erfolgreiche Kampagnen berichten mindestens wöchentlich über ihre Fortschritte – per Video, Text oder Social Media.
Zielgenaue Ansprache
Kampagnen mit konkret umrissenen Zielen – etwa „3.000 € für Rollstuhlrampen“ – erzielen tendenziell bessere Ergebnisse als unspezifische Bitten. Auch klare Deadlines (z. B. OP-Termin in 14 Tagen) steigern die Spendenbereitschaft.
Ausblick
Spendenportale sind aus der digitalen Spendenwelt nicht mehr wegzudenken. Ob privat oder gemeinnützig – sie ermöglichen schnelle, niedrigschwellige Hilfe und eröffnen neue Kommunikationswege zwischen Hilfesuchenden und Unterstützer\:innen. Gleichzeitig sind sie keine Allheilmittel: Sie reflektieren gesellschaftliche Schieflagen, verstärken Ungleichheiten und operieren mit kommerziellen Interessen.
„Wir müssen uns fragen, warum Menschen für ihre medizinische Versorgung spenden müssen – statt auf ein funktionierendes Gesundheitssystem zählen zu können“, sagt die Sozialethikerin Prof. Dr. Sabine Haller.
Die Zukunft liegt in einem transparenten, regulierten und fairen Spendenumfeld – mit klaren Standards, Schutzmechanismen und einem wachsamen Blick auf ethische Fragen. Nur so bleibt das Versprechen von „unkompliziertem Geld sammeln“ mehr als ein schöner Slogan.