Wero: Die digitale Alternative zu Paypal, Google Pay und Co.?
Vor etwas mehr als einem Jahr ist mit Wero eine europaweit angelegte, bankbasierte Zahlungslösung an den Start gegangen. Das Ziel ist ambitioniert: eine echte Alternative zu US-dominierten Wallets und Kartennetzen wie Paypal, Google Pay, Apple Pay oder den klassischen Kartenschemata zu etablieren.
Der Ansatz: Zahlungen direkt von Konto zu Konto (A2A) auf Basis von SEPA-Echtzeitüberweisungen, eingebettet in die Banking-Apps großer Institute und in eine eigenständige Wero-App. Dieser Artikel ordnet die Entwicklung ein, zeigt den aktuellen Stand und erläutert, wohin die Reise 2025/26 geht.
Kurzüberblick: Was ist Wero – und warum jetzt?
Wero ist die neue digitale Geldbörse der European Payments Initiative (EPI), einem Zusammenschluss führender europäischer Banken und Zahlungsdienstleister. Kernidee ist, den Zahlungsverkehr über das bestehende, regulierte Bankennetz zu führen – ohne zwischengeschaltete Drittwallets oder Kartennetzwerke. Technische Grundlage sind SEPA-Echtzeitüberweisungen, die in der Regel innerhalb von zehn Sekunden Geld vom Konto des Senders auf das Konto des Empfängers bringen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Geld senden und empfangen per Handynummer oder E‑Mail, zunächst im Person-to-Person-Bereich (P2P), perspektivisch auch beim Online-Shopping (E‑Commerce) und später an der Ladenkasse (Point of Sale).
„Wero ist eine neue europäische Zahlungslösung, die für Verbraucher und Händler in ganz Europa zur ersten Wahl werden soll.“
Der Zeitpunkt ist günstig: Mit der neuen EU‑Verordnung zu Instant-Payments sind Echtzeitüberweisungen in der Eurozone regulatorisch verankert. Parallel wünschen sich Banken, Händler und Politik mehr digitale Souveränität gegenüber außereuropäischen Anbietern. Für Nutzerinnen und Nutzer geht es zudem um Komfort: Niemand möchte für jede Zahlung eine andere App oder eine lange IBAN brauchen.
Wo Wero heute steht
Gestartet ist Wero im Sommer 2024 in Deutschland, wenig später folgten Frankreich und Belgien. Zum Start konnten vor allem Kundinnen und Kunden der Sparkassen sowie der Volks- und Raiffeisenbanken P2P‑Zahlungen direkt in ihren bekannten Banking-Apps auslösen; inzwischen existiert zusätzlich eine eigenständige Wero‑App, die sich bei immer mehr Banken mit dem Girokonto verknüpfen lässt. Weitere Institute – darunter große Direktbanken – ziehen nach und integrieren Wero zunehmend nativ in ihre Apps.
Ein weiterer Schub kommt aus dem Handel: Für 2025 ist der Beginn der E‑Commerce‑Akzeptanz in Deutschland vorgesehen. Große Zahlungsdienstleister (Payment Service Provider, PSP) arbeiten daran, Wero als Online-Bezahlart in ihre Shop-Plugins und Checkout‑Seiten einzubauen. Belgien folgt mit E‑Commerce‑Zahlungen im Herbst 2025, Frankreich Anfang 2026. Erst danach soll die Kassen‑Zahlung im stationären Handel flächig kommen.
Der Funktionsumfang im Detail
- P2P in Echtzeit: Geld senden an Kontakte per Handynummer oder E‑Mail statt per IBAN. Für Split‑Bills, WG‑Kassen oder das Zurückzahlen gemeinsamer Auslagen ist das die bequemste Option, wenn beide Seiten über teilnehmende Banken angebunden sind.
- E‑Commerce (ab 2025): Bezahlen direkt aus der Banking‑App oder der Wero‑App heraus. Das Geld fließt als Instant‑Überweisung unmittelbar an den Händler. Rückerstattungen (Refunds) lassen sich ebenfalls konto‑zu‑konto abwickeln.
- Point of Sale (ab 2026): Mittelfristig zielt Wero auch auf Zahlungen im stationären Handel; ob per QR‑Code, NFC im Smartphone oder Terminalintegration, wird landesspezifisch umgesetzt.
- Geplante Mehrwerte: Ratenzahlungen, die Integration von Händler‑Treueprogrammen und das Management wiederkehrender Zahlungen sind als nächste Ausbaustufen angekündigt.
Für Nutzerinnen und Nutzer ist der Erlebnisfaktor entscheidend: Eine Zahlung sollte so schnell und einfach sein wie eine Messenger‑Nachricht. Genau darauf zielt Wero – und nutzt dabei die starke Verbreitung der hauseigenen Banking‑Apps als „natürlichen“ Zugangskanal.
So fühlt sich Wero im Alltag an – drei kurze Beispiele
- Gemeinsames Abendessen: Vier Freunde essen zusammen, eine Person zahlt die Rechnung. Beim Aufbruch öffnet sie die Banking‑App, tippt die drei Kontakte an und fordert jeweils 23,50 Euro an. Die anderen bestätigen mit Face‑ID – und die Beträge sind in Sekunden auf dem Konto.
- Online‑Bestellung im Sportshop (ab 2025): Im Checkout wählt man „Wero“. Die Shopseite öffnet die Banking‑App, die Zahlung wird via Instant‑Überweisung freigegeben, die Bestellbestätigung folgt sofort. Der Händler spart Zwischenstufen im Zahlungsfluss.
- Tante in Frankreich, Enkel in Deutschland: Geburtstagsgeld kommt nicht mehr per Brief; die Tante schickt mit ihrer französischen Bankapp in Sekunden 50 Euro an die deutsche Handynummer des Enkels – grenzüberschreitend und ohne Gebühren überraschender Dritter.
Reichweite und Bekanntheit: Noch Luft nach oben
Ein gutes Jahr nach dem Start steigt die Sichtbarkeit spürbar – aber sie ist noch weit von Paypal‑Niveau entfernt. Repräsentative Umfragen zeigen: Inzwischen weiß ein wachsender Teil der Bevölkerung in Deutschland, was Wero ist; zugleich haben erst wenige den Dienst tatsächlich genutzt. Die Lernkurve ist also erkennbar, aber sie braucht Zeit.
„Der Aufbau eines neuen Zahlungssystems braucht Zeit. Wir müssen Vertrauen und Akzeptanz gewinnen – das mussten sich auch andere erfolgreiche Anbieter erst über Jahre erarbeiten.“
Ermutigend ist der Trend: Die Bekanntheit hat sich binnen weniger Monate deutlich erhöht. Gleichzeitig bleibt die zentrale Hürde, dass Zahlungen im Alltag erst dann „von selbst“ passieren, wenn möglichst viele Menschen und Händler Wero aktiv anbieten. Genau hier setzt die aktuelle Rollout‑Welle bei Banken und PSPs an.
Wettbewerbsvorteile – und woran Wero gemessen wird
- Direkter Geldfluss: Konto‑zu‑Konto ohne zusätzliche Wallet‑Zwischenstufe kann für Händler günstiger und für Verbraucher transparenter sein.
- Sofortigkeit: Settlements in Sekunden sind sowohl für Privatpersonen als auch für Händler attraktiv – das Geld ist sofort verfügbar.
- Datensouveränität: Daten bleiben im europäischen Regulierungsraum. Für viele Banken und politische Entscheidungsträger ist das ein strategischer Pluspunkt.
- Bank‑Integration: Wo die Banking‑App ohnehin täglich genutzt wird, senkt eine native Wero‑Funktion die Hürde – im besten Fall ohne zusätzliche Registrierung.
Gleichzeitig ist der Maßstab hoch: Paypal & Co. haben sich über Jahre einen Standard bei Komfort, Käuferschutz, Händler‑Tools und globaler Reichweite erarbeitet. Wer Wero beurteilt, wird genau auf diese Punkte achten – und zwar aus beiden Perspektiven.
Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher
- Komfort und Verfügbarkeit: Funktioniert das Senden an Kontakte wirklich reibungslos – bankübergreifend, grenzüberschreitend und ohne technische Reibung?
- Sicherheit und Vertrauen: Starke Kundenauthentifizierung und Echtzeit‑Monitoring sind da – aber entscheidend ist das erlebte Gefühl von Sicherheit im Alltag.
- Schutzmechanismen: Für den Online‑Handel sind klare Regeln zu Rückerstattungen, Disputen und Stornos wichtig. Je transparenter diese Mechanismen, desto schneller wächst das Vertrauen.
Aus Sicht der Händler
- Gesamtkosten der Zahlung: Wenn A2A‑Zahlungen die intermediären Gebührenstrukturen reduzieren, kann das die Marge entlasten – vorausgesetzt, die Implementierung bleibt einfach.
- Conversion am Checkout: Jede zusätzliche App‑Wechselwirkung birgt Risiko. Entscheidend sind nahtlose Weiterleitungen aus dem Shop, verlässliche Freigaben in den Apps und klare Rückwege bei Abbrüchen.
- Prozesse im Backoffice: Refunds, Teilstornos, Abgleiche: Erst wenn diese Standardfälle „ohne Reibung“ laufen, wird Wero im Massengeschäft bestehen.
„Die Ergänzung einer Bezahlmöglichkeit für Online‑Einkäufe dürfte zur ersten richtungsweisenden Nagelprobe werden.“
Lehren aus Giropay/Paydirekt – und was jetzt anders ist
Deutschland hat mit Paydirekt/Giropay bereits eine nationale „Paypal‑Alternative“ versucht. Die Bilanz ist bekannt: Trotz solider Technik fehlte es an Breite im Handel, an einheitlichem Markenauftritt und an konsequentem Nutzerfokus. Wero unterscheidet sich in drei Punkten: Es ist europäisch gedacht (und damit von Beginn an grenzüberschreitend), es setzt stringent auf Instant Payments als technisches Rückgrat, und es wird breit in die Apps der Institute integriert – nicht als Zusatz‑Wallet, sondern als Teil des gewohnten Bankings.
Hinzu kommt ein günstiger Rückenwind aus Brüssel: Echtzeitüberweisungen sind nun regulatorisch verpflichtend geworden. Dadurch sinkt die Hürde, solche Zahlungen in der Breite anzubieten. Für Nutzerinnen und Nutzer steigt die Chance, überall die gleiche, schnelle Erfahrung zu machen.
Die Roadmap: 2025 wird zum Prüfstein
Die nächsten zwölf Monate entscheiden über die Alltagstauglichkeit. Wenn in Deutschland E‑Commerce‑Zahlungen breit live gehen, zeigt sich, ob Wero die erste Wahl in bestimmten Use‑Cases werden kann – etwa bei höherpreisigen Waren, für die sofortige Gutschrift und transparente Kosten zählen, oder bei wiederkehrenden Zahlungen (Abos), wo A2A‑Ströme mit intelligenter Autorisierung Vorteile bringen könnten. Für Belgien und Frankreich sind die Termine ebenfalls gesetzt; hier wird man sehen, wie nationale Besonderheiten (z. B. bestehende Wallets oder starke Kartennutzung) adressiert werden.
„Wir starten mit E‑Commerce in Deutschland, Belgien folgt im Herbst, Frankreich Anfang 2026. Schritt für Schritt bauen wir Reichweite und Funktionen aus.“
Wie Wero Vertrauen aufbaut
Neue Bezahlarten gewinnen Vertrauen über Erfahrung. Drei Hebel sind zentral:
- Markenführung und Aufklärung: Je klarer Wero erklärt, desto schneller verschwindet die Skepsis. Alltagsnahe Beispiele („Geld an die Handynummer“) funktionieren besser als technische Begriffe.
- Erlebbare Zuverlässigkeit: Echtzeit heißt in der Praxis: nicht „oft“, sondern immer binnen Sekunden. Das erfordert hohe Stabilität in Apps, im Bankennetz und in den PSP‑Anbindungen.
- Transparenter Schutz: Für Online‑Käufe braucht es klare, leicht verständliche Regeln für Rückgaben und Streitfälle. Je sichtbarer diese sind, desto eher probieren Verbraucherinnen und Verbraucher Wero beim Einkauf aus.
Häufige Fragen – kurz beantwortet
Kostet Wero Gebühren? P2P‑Zahlungen sind in der Regel kostenfrei. Für den Handel hängt die Bepreisung von den jeweiligen PSP‑ und Bankvereinbarungen ab.
Wie schnell ist „Echtzeit“? Der Anspruch sind wenige Sekunden von der Freigabe bis zur Gutschrift. Genau das macht A2A‑Zahlungen attraktiv – private Überweisungen kommen „sofort“ an, Händler sehen das Geld unmittelbar.
Was brauche ich, um Wero zu nutzen? Entweder eine teilnehmende Banking‑App mit integrierter Wero‑Funktion oder die Wero‑App, die mit dem Konto der teilnehmenden Bank verknüpft wird.
Kann ich auch außerhalb meines Landes zahlen? Ja, Wero ist grenzüberschreitend innerhalb der angebundenen Länder gedacht. Das Senden an Kontakte in anderen EPI‑Märkten ist ein Kernnutzen.
Ausblick: Realistische Erwartungen, klare Chancen
Wero wird nicht über Nacht zur neuen Norm – aber es hat die Zutaten, um in Europa ein zweites starkes Standbein neben Karten und US‑Wallets aufzubauen. Entscheidend sind die nächsten Schritte im Online‑Handel, die Qualität der Nutzererfahrung in den Banking‑Apps und die Geschwindigkeit, mit der große Händler ihre Checkout‑Seiten ergänzen. Gelingt dies, könnte Wero in bestimmten Segmenten – etwa P2P, Abos, höherwertige Waren – schnell Relevanz erreichen. Scheitert es an Reibung im Alltag, an unklaren Schutzregeln oder an zu vielen App‑Wechseln, droht die Wiederholung alter Fehler.
„Die neuen Regeln werden die strategische Autonomie des europäischen Wirtschafts- und Finanzsektors verbessern, da sie helfen, eine übermäßige Abhängigkeit von Drittstaaten zu verringern.“
Die gute Nachricht: Anders als frühere Insellösungen vereint Wero heute eine breite Koalition von Banken in mehreren Ländern, eine moderne technische Basis und politisches Rückenwind. Mit dem Start in den E‑Commerce und der späteren Kassenakzeptanz steht die eigentliche Bewährungsprobe erst noch an. Bis dahin gilt: Je öfter Menschen Wero im eigenen Alltag erleben, desto schneller wächst das Vertrauen – und mit ihm die Chance auf eine echte europäische Alternative.
